Reise mit zwei Nuovo Falcone Gespannen in die Türkei – Teil 5

Dieser Bericht über eine Reise mit zwei Gespannen Nuovo Falcone plus Steib S250 (einmal Transportkiste) erschien in der Falcone-Post von Ausgabe 1/92 bis 1/95. In erster Linie habe ich das damals geschrieben, damit überhaupt etwas in der Falcone-Post stand.

Insgesamt umfasste die Geschichte in Fortsetzungen zehn Teile. Der Reisebericht beginnt mit Teil fünf.

Die Reise in die Türkei war im Sommer 1982. Das war das Jahr, in dem Helmut Kohl Bundeskanzler wurde und Leonid Breschnew starb.

Harald Stränz

Weiter ging die Fahrt nach Westen. Unser Tagesziel hieß Istanbul, genauer Yesilyurt. Jener Campingplatz, der uns schon auf der Hinreise so gut gefallen hatte. Der Tag neigte sich dem Ende zu, und wie immer brach die Dunkelheit in wenigen Minuten herein. Bisher waren wir immer nur, bis auf ein einziges Mal, am Tage unterwegs. Und da hatten wir schon so einiges erlebt. Aber in der Türkei im Dunkeln das hatte doch was Besonderes. Für jemanden auf einem Eselkarren spenden die Sterne noch genug Licht, er ist ja auch langsam. Was ihn aber nicht daran hindert, die Autobahn zu benutzen. Ohne jede Beleuchtung natürlich. Aber auch schnellere Fahrzeuge, die über die entsprechenden lichttechnischen Einrichtungen, wie es bei uns in der StVZO heißt, verfügen, benutzen diese nicht immer. Entweder weil der Fahrzeugführer das für überflüssig hält oder weil sie nicht funktionieren. Man muss wirklich die Augen offenhalten. Und vor dem Überholen reicht ein Blick in den Rückspiegel meist nicht aus. Es ist besser sich umzublicken, ob da nicht ein LKW oder Bus auf der Überholspur sind, an denen vorne nichts und hinten nur eine müde rote Funzel leuchtet. Aber zu lange darf man sich auch nicht umsehen, denn man weiß nie, was vor einem in der Dunkelheit lauert.

Istanbul – Immer wieder ein toller Anblick

Wir waren jedenfalls froh, als vor uns die Brücke über den Bosporus auftauchte, die in helles Licht getaucht war. Europa hatte uns wieder. Jetzt mussten wir nur noch den Stadtverkehr in Istanbul überleben, der mir noch dichter erschien als am Tage. Aber es ging alles glatt, und gegen Mitternacht trudelten wir auf dem Campingplatz ein. Schnell das Zelt aufgebaut, und dann gab’s nur noch eins: Das genießen, was wir zehn Tage doch entbehrt hatten: Wasser. Mir war deutlich bewusst, wie kostbar dieser Stoff war, aber trotzdem habe ich ihn verschwendet. Ich hab’s unter der Dusche richtig prasseln lassen. So lange, bis ich das Gefühl hatte, dass in keiner einzigen Pore meiner Haut auch nur noch das geringste Staubkorn aus Anatolien steckte.

Am nächsten Tag haben wir unsere Wäsche gewaschen. Besonders ein T-Shirt, das die Farbe der anatolischen Erde hatte, habe ich sehr oft getragen man konnte ja nicht sehen, wie dreckig es war – was da rauskam, es war unbeschreiblich. Und dann haben wir uns erholt, richtig Urlaub gemacht. Im Schatten der uralten Ulmen gesessen, die Seele baumeln lassen und die zurückliegenden Tage Revue passieren lassen. Es war herrlich.

Aber nach drei Tagen mussten wir weiter. Grobe Richtung Deutschland, wobei ein Besuch in Mandello eingeplant war. Die Magistrale wollten wir uns nach unseren Erfahrungen nicht wieder zumuten, sondern entgegen der ursprünglichen Planung den kürzesten Weg nehmen. Also durch Bulgarien und dann über den berühmt-berüchtigten Autoput.

Edirne – Cami Minarett

In Edirne wollte ich bei den beiden Guzzis noch Ölwechsel machen. An einer größeren Tankstelle gab es eine doppelspurige Rampe, auf die auch ein Falcone-Gespann passte. Ich kaufte also ein paar Liter Öl und wartete darauf, dass die Rampe frei würde, auf der gerade ein Türke bei seinem Anadolu das Öl abließ. Auf türkische Art.

Die Rampe war so hoch, daß man unter einem Auto stehen konnte, zwar leicht gebückt, aber 1,50 m war sie bestimmt hoch. Die Ölablassschraube des Anadolu wurde entfernt und mit einem Sprung rettete sich der Fahrer vor dem aus dem Motor rausklatschenden Öl. Irgendeine Auffangvorichtung gab es nicht Das Öl lief auf den Beton und dann durch eine Rinne in ein Loch. Ich weiß nicht wohin dann. Irgendwohin jedenfalls.

Ölwechsel auf „türkische Art“.

Als der Tankwart uns warten sah, machte er uns deutlich, dass das nicht nötig sei. Hinter der Tankstelle war ein freies etwas sandiges Gelände, seiner Meinung nach der ideale Platz für einen Ölwechsel. Obwohl ich vermutete, daß die Rinne mit dem Loch von der Rampe auch dort endete, habe ich trotzdem gewartet – das ging mir denn doch zu weit. Ich habe das alte Öl sogar mit einem Kanister, von dem ich den Deckel entfernt hatte, aufgefangen. Aber auch, um mich nicht von oben bis unten einzusauen. Ich nehme an, das Öl ist später doch in dem ominösen Loch verschwunden. Es war übrigens das einzige Mal, dass ich mich irgendwie um die Guzzis gekümmert habe. Sonst habe ich nicht ein einziges Mal einen Schraubenschlüssel in die Hand genommen.

Dann waren wir auch bald an der Grenze. Ursprünglich wollten wir nicht durch Bulgarien fahren und hatten deshalb auch kein Visum, aber das gab es ja an der Grenze. Und der damals auch in Bulgarien real existierende Sozialismus bestätigte sofort alle bei mir bestehenden Vorurteile gegen diese Form menschlichen Zusammenlebens. Mit einem Schlag war die Erholung weg. Der graueste Alltag hatte einen wieder. Mürrische Gesichter, ruppiger Ton und die üblichen kleinen Schikanen ließen uns überdeutlich merken, dass wir nicht mehr in der Türkei waren. Die Visa kosteten pro Person 90 Mark. Ich hatte nur Hundert- und Fünfzigmarkscheine. Also habe ich zweihundert Mark bezahlt. Hinter der Kassiererin standen in ihrem Kassenhäuschen große Plastiktüten mit den eingenommenen Devisen, in erster Linie Deutsche Mark, denn auch die Türken bezahlten in D-Mark. Aber rausgeben konnte sie nicht. Sie hatte angeblich kein Wechselgeld, obwohl in den Tüten hinter ihr mindestens 100 Zehnmarkscheine lagen. Zum Kassieren sprach sie auch noch Deutsch, aber dann verstand sie plötzlich kein Wort mehr. Und als sie dann auch noch Unterstützung von einem Grenzsoldaten bekam, der mir mit seiner Kalaschnikow vor der Nase rumfummelte, habe ich ihr großzügig 20 Mark Trinkgeld überlassen.

Die Flagge von Bulgarien

Dann kam die nächste Bude, Pässe abgeben, Formular ausfüllen und warten. Nach einer Stunde ungefähr hatten wir die Pässe mit Stempel zurück Dann war der Zoll dran. Marlen hatte sich in der Türkei zwei Kilo Henna zum Haarefärben gekauft. Und obwohl man annehmen sollte, dass Henna in Bulgarien bekannt ist, taten die Zöllner so, als hätten sie zwei Kilogramm „grünen Afghanen“ entdeckt. Die Tüte wurde erst mal konfisziert und von zwei Mann ins Hauptgebäude gebracht. Marlen und ich wurden von vier Grenzsoldaten bewacht, damit wir nicht die Flucht ergreifen konnten. Nach einer halben Stunde bekamen wir die Tüte ohne Kommentar zurück, aber nun mussten wir alles auspacken.

Seitenwagen leerräumen, Packtaschen, Top-Case auspacken, jede Tasche wurde geöffnet, jeder Behälter wurde inspiziert, selbst das Zelt musste raus aus der Hülle. Es hat richtig Spaß gemacht, denn es ging nur darum, uns zu ärgern. Die Zöllner interessierte überhaupt nicht, was wir alles mit uns rumschleppten, und guckten nur gelangweilt in die Luft. Dann durften wir wieder einpacken und uns auf den Weg durch das erste Arbeiter- und Bauernparadies auf bulgarischem Boden machen.

Also, dann lieber durch die Hölle fahren. Viel unwirtlicher kann die auch nicht sein, man weiß aber, woran man ist. Im ganzen und großen war’s aber problemlos.

Nur auf einem Campingplatz hatten wir dann doch noch ein Erlebnis der dritten Art, für das die Bulgaren aber auch nicht konnten. Es war abends so gegen elf, Marlen und ich pennten schon im Zelt, als wir durch ein Geräusch geweckt wurden, das sich nicht einordnen ließ.

Ich steckte den Kopf zum Zelt raus und traute meinen Augen kaum. Im hellen Licht von Scheinwerfern auf Dreibeinen war ein Haufen Leute dabei, aus Campingtischen und -stühlen eine lange Tafel aufzubauen. Und ein paar Meter neben unserem Zelt stand ein Reisebus mit Anhänger. Auf dem Bus stand in großen Buchstaben ROTEL. Es war entsetzlich. Dreißig oder mehr jung-dynamische Abenteurer neben uns. Echt harte Typen (denken die von sich), und so benehmen sie sich auch. Und dann die Gruppendynamik und das Kreischen der Weiber – der Animateur macht dazu seine faden Witze.

Rotel Tours – „Das rollende Hotel“

Die hatten wohl mal wieder den ganzen Tag im Bus verpennt und machten nun die Nacht zum Tage. So ein rücksichtsloses Pack habe ich noch nie erlebt. Leider treffen Marlen und ich die hin und wieder, und so wussten wir, was uns erwartet. Party bis um halb drei. Dann würden sie angetrunken in ihre rollende Grabkammer torkeln, und wir würden dann endlich ein Auge zukriegen. Morgens sehen die Waschräume und Klos dann aus, als wenn eine Rotte Wildschweine sich an der Morgentoilette versucht hätte. Haare, Seifenreste, leere Zahnpastatuben. Papierfetzen und alles zugeschissen. Richtige echte Abenteurer eben. Pfui Deibel! Zwei Nächte später in Jugoslawien hatten wir das zweifelhafte Vergnügen noch einmal. Aber der Platz war größer, und die ROTEL-Bande war in die äußerste Ecke verbannt worden. Nur ins Restaurant fielen sie ein wie die Schmeißfliegen und nervten mit ihrer aufgesetzten lärmenden Fröhlichkeit.

Sonst gibt es von Jugoslawien nicht viel zu erzählen, wir haben versucht, den Autoput so schnell wie möglich hinter uns zu bringen. Was Spaß gemacht hat, war auf den zweispurigen Strecken das Überholen der LKWs. Die Jungs haben auf ihren Böcken ja sonst nicht viel Abwechslung, aber zwei Gespanne, die nur unwesentlich schneller waren als sie selbst, mit denen konnte man ja spielen. Lücken zum Vordermann eng machen, Vollgas geben, wenn einer von uns genau neben dem armdicken Auspuffrohr war also denen hat’s Spaß gemacht. Aber wenn’s denn mal eng wurde, haben sie auch gebremst, um die lebensnotwendige Lücke freizumachen.

Alter Hafen von Rijeka

Auf einem Campingplatz kurz vor Rijeka haben wir unsere überzähligen Benzingutscheine zu Geld gemacht und davon fürstlich gespeist und getrunken. Am nächsten Tag wollten wir in Mestre vor den Toren Venedigs sein.