Die Geschichte des Falcone-Clubs

Wir schreiben das Jahr 1976. Nach über 50 Jahren wird die Produktion des bis heute letzten Einzylinders von Moto Guzzi, der Nuovo Falcone, eingestellt. Im selben Jahr fand Martin Kraut auf der IFMA am Lenker seiner Falcone CF einen Zettel: „Fahre auch Falcone. Ruf doch mal an.“ Was er dann auch tat. 

Lassen wir ihn selbst zu Wort kommen: 

„Auf meinem Besuch in Bielefeld bei Günter Jandt fiel der Beschluss: Wir suchen Gleichgesinnte. So, wie Klacks seinerzeit zum ersten  Elefantentreffen rief, wollten wir Falcone-Fahrer sammeln. Dazu nutzten wir auch die Zeitung von Klacks, die frisch gegründete PS, damals noch das eher konservative Blatt der Windgesichter. Das brachte mir nicht nur eine Einladung in die PS-Redaktion ein, sondern auch die Zuschrift von etwa 20 Falcone-Besitzern innerhalb kurzer Zeit. Damit hatte ich nicht gerechnet, und der Falcone-Club gilt somit als im Jahre 1976 gegründet. Zum Jahresende zählten wir sechzehn Falcone CF und sechs Sahara. Die Motorräder der Behörden-Version NF waren ja erst frisch in den Dienst gestellt und mussten diesen erst mal noch für einige Jahre ableisten. In privater Hand sah man noch auf viele Jahre keine davon. 

25 Jahre Falcone-Club bei-Martin

Schon im Jahr darauf gab es den ersten „Falcone-Rundbrief“, den Vorläufer der heutigen Falcone-Post. Fotokopien waren unerschwinglich, aber bei den Eltern einer Freundin stand mir eine Vervielfältigungsmaschine zur Verfügung. Also wurde Alkohol aufgefüllt und fleißig an der Kurbel gedreht. Geplant war ein eingetragener Verein mit festen Mitgliedsbeiträgen sowie Händlerrabatte bei der Ersatzteilversorgung, die zu dieser Zeit gerade gegen Null ging. Röth war kein Importeur mehr, Zühlke hatte sein Lager verkauft und Motobecane hatte nix. Einzig Meister Gangler von GaWa-Guzzi versorgte uns noch mit Teilen.

Es ist dann doch nur zu einem lockeren Club ohne Satzung und Vorstand gekommen, und das war auch gut so. Es hat sich bis heute bestens bewährt. 

Das erste Treffen fand dann auch gleich an Ostern 77 auf Gut Schirmecke an der Weser statt, dem Vorläufer der heute noch bekannten Villa Löwenherz. Das zweite Treffen war dann schon in Arendorf, einem winzigen Dorf in der Lüneburger Heide, drei Häuser und eine Kneipe, deren Wirt aber begeisterter Fahrer eines Konsul-Gespannes war. Im „Uhlenhof“ blieben wir daher bis 1982 mit unserem „Falcone- und Einzylinder-Treffen“. Hier stieß damals auch Harald Stränz zu uns, der bis heute ebenfalls dem Falcone-Club verbunden ist. Aber auch andere heute noch bekannte Namen wie Achim Stemmler (Oldtimerhandel),  Andreas Mehlhorn (TÜV-Nord), Mike Mehlinger (Horex und Journalist), Paul Hentze (Falcone Artikel der Markt), Rötger Feldmann (alias Brösel) und auch Stephan Schneider (Motorjournalist, genannt Hardy). Letzterer fuhr anfangs aus Altersgründen noch eine Dingo, später dann aber Gilera Strada (die er heute noch besitzt) und Falcone sowie andere Eisen aus Mandello. Und er übernahm ab 1984 von mir die Leitung des Falcone-Clubs sowie die Erstellung des Rundbriefes, der nun erstmals „Falcone-Post“ hieß.“

Hardy erinnert sich: 

„Die Geburt der Falcone-Post

In den 1980ern drehte sich die Welt so gelassen, wie das Schwungrad der Falcone.

Zur Clubgründung 1976 war die Einzylinder-Guzzi ja noch kein Oldtimer, denn die Sahara 500 wurde als „Abenteuer-Motorrad” angeboten, und Paul Simsa schrieb darüber beispielsweise einen sympathischen Fahrbericht. Obwohl der Ansatz also nicht ganz daneben lag, denkt man an die Yamaha XT 500 oder an die jetzt wieder modischen Scrambler, konnte die Sahara gegen eine richtige Reise-Enduro natürlich nicht anstinken. 

Als ich 1977 beim Importeur Mobylette in Brackwede einen Prospekt anfragte, gab’s Thermokopien der technischen Daten auf Französisch und eines Pressetextes in Englisch: „Wenn alle Wege enden”, hieß der wahrhaft passende Slogan. Das Thema war werksseitig durch. Zwei Jahre später kaufte ich mir eine ausgemusterte Polizei-Maschine, die mit Tank und Doppelsitzbank der Civile sowie verchromtem Ercole-Auspuff partnerschaftstauglich gebaut wurde. Und so fahre ich sie noch heute.

Der alte Geist von Carlo Guzzi und seinen Kumpanen lebte dann hierzulande dank Martin Kraut unverdrossen weiter, und von ihm übernahm ich Anfang der 1980er die „Zentrale” des Falcone-Clubs. Vorstand und Gedöns waren hier ja noch nie ein Thema, und so ging es weiterhin einfach um die lockere Verknüpfung von Liebhabern. Um die Gruppe etwas verbindlicher zu sammeln, existierte bereits das jährliche Treffen, und nun wollte ich noch ein „Soziales Medium” installieren. Das lud ich von einer englischen Plattform runter. Da nämlich die Besitzer von British Bikes in ähnlicher Lage lebten, BSA war bereits Geschichte und Triumph rang in Meriden nach Luft, zog ich von meinen Kumpels die „BSA Owners Post” auf den Schreibtisch: Italien-Filter drüber, und fertig war die „Falcone Post”. Mit Guzzi-Adler über dem Titel, natürlich von Hand gebastelt, jagte ihre erste Ausgabe im Frühling 1982 aus dem Kopierer und wurde im Briefumschlag per Bundespost verteilt. Damit erschien das Medium der Falcone- und Sahara-Fahrer auf international üblichem Niveau und sogar in deutsch. Erfahrungsberichte, Ersatzteilquellen, Termine und die Adressen der Mitglieder bildeten die Essenz.

Analog in alle Richtungen

Diese Kontaktzündung funktionierte. Der Adressverteiler war gespeichert in einem Notizblock, Texte wurden auf der Adler Junior geschrieben und die Bildbearbeitung erfolgte mit Photo-Porst 1.0 innerhalb weniger Tage. Der Drucker nannte sich Rank-Xerox, das waren schon die mit schwarzer Schrift auf weißem Papier und ohne Schnüffeln. Unser Kurznachrichtendienst hieß Postkarte. Klar gab’s Telefon, aber bei den drei Tarifen Ortsgespräch, Ferngespräch und Nachtwahl kostete die Karte den Ortspreis, hatte jedoch die höhere Reichweite. 

So erinnere ich mich, 1988 zwischen den Erscheinungsterminen der Club-Zeitschrift die Mitglieder per Postkarte zum Oldtimer-Trial nach Bissendorf bei Osnabrück eingeladen zu haben. Und es kamen welche. Auf dem Besucherparkplatz standen Falcone, während im Gelände die Stornello 160 Scrambler als einzige Trial-Maschine unter Guzzi-Flagge kurvte. Danach schnackten wir alle, wovon es aber leider kein Foto gibt. Andere Begegnungsstätten fanden sich beispielsweise auch noch in Kassel-Lohfelden, in Hettenhausen bei Kaiserslautern, wo ich selbst 1976-85 ein Guzzi-Treffen organisierte, oder über Vertragshändler und Falcone-Freak Jürgen Lamprecht in Winterhausen. Er nahm ja die Sahara beim Wort, staubte regelmäßig mit seinem Gespann nach Afrika. Und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ging’s außerdem endlich Richtung Osten, so dass ich zum Guzzi-Treffen in Moskau 1992 mit der Falcone dampfte. Einziger Defekt war ein Plattfuß in Polen. 

Fuhr man von einer Veranstaltung zurück, kostete das Benzin dasselbe wie zuvor bei der Hinfahrt. Eigentlich änderte sich damals der Benzinpreis überhaupt höchstens einmal im Jahr, und schon darüber schüttelte der ADAC den Kopf. Das Leben wirkte so simpel wie die Mechanik unserer Guzzi. Und einmal in Schwung gebracht, dreht sich das Rad der Falcone-Post bis heute. Als ich dann 1989 wegen anstehender Diplomprüfung meinerseits die Club-Organisation weitergab, erhielt die Zeitung ihr jetziges Logo. Gestaltet von Dirk Mangartz aus Duisburg, orientiert es sich seither am Schriftbild der Civile Falcone. Konstant über ein Vierteljahrhundert, jetzt digital gemacht. Schön, dass beides möglich ist.“

Und wieder Martin:

„In den 80er Jahren sackte das Interesse an der Falcone in eine Talsohle. Falcone waren alte, träge Klapperkisten geworden, für die sich keiner mehr ernsthaft interessierte. Galten sie schon bei ihrem Erscheinen als Anachronismus, so waren sie jetzt endgültig aus der Zeit gefallen. Wenige Exemplare waren in festen Händen und wurden am Leben erhalten, die meisten waren aber ziemlich fertig und tauchten für kleines Geld auf Veteranenmärkte oder in den Kleinanzeigen der Tageszeitungen auf. 

Vermutlich deswegen erlitt auch das Interesse an den Falcone-Treffen einen massiven Einbruch, obwohl die Mitgliederzahl dennoch langsam aber stetig stieg und sich gegenseitig bei Problemen unterstützte. Ende der 80er Jahre kam dann wieder mehr Leben in die Szene. Veteranenmärkte, wie man die Oldtimermärkte damals noch nannte, nahmen an der Zahl zu und es begann ein Nachschub aus Italien in Form der ersten von den Behörden ausgemusterten Falcone NF, meist blaue Ex-Polizei-Maschinen. Auf einmal waren die CF eine Minderheit im Club, Saharas waren quasi verschwunden (Peter Strauß von Motobecane sagte mal, es seien nur neun importiert worden. Ob es stimmt, weiß ich nicht). Auch stießen die ersten „vecchia“ zu uns, zuvor extrem seltene und viel bestaunte Exoten. 

An die erste Vecchia erinnere ich mich. Es war ein Besucher des Treffens in Arendorf, der aus Hamburg kommend damit erschien, und ich durfte eine Probefahrt mache. Mensch, war das ein Unterschied zur Nuovo Falcone. Die gleiche Leistung in einem leichten, wendigen Motorrad, zu fahren wie das sprichwörtliche Fahrrad. Ein tolles Kraftrad. Der Bazillus hatte es sich bequem gemacht. Aber es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis ich selbst in den Besitz einer Vecchia kam. 1988 übernahmen Klaus und Elke Schweitzer die Clubleitung, Harald Stränz die Redaktion der Falcone-Post und Dirk Mangartz gestaltete den Titel. Ich selbst war von Braunschweig in die Nähe von Marburg gezogen und fand auch in der Nähe, im damals noch neuen „Falltorhaus“ bei Schotten, einen neuen Ort für unser Jahrestreffen, wo wir dann bis 1994 blieben. 

Harald Stränz beklagte alsbald die schwache Teilnahme an Treffen sowie die noch magerere Ausbeute an Artikeln für die Falcone-Post und stellte die Frage, ob wir den Club eventuell eingehen lassen sollten?

Zum Glück war es nur ein Warnschuss, denn es ging weiter: Es gab ein Treffen bei Ballermeier und die Falcone-Post wurde unter der Leitung und dem Einsatz von Harald wieder umfangreicher und interessant.“

Ab 1996 fand das Falcone-Treffen dann in „Günters Kurve“ statt und Karl Lotze übernahm die Clubleitung und die Falcone-Post.

Karl dazu: „Ich übernahm den Club von Harald mit 90 Mitgliedern und dem traditionellen Herbsttreffen. Seit 1989 fuhr ich Nuovo Falcone, besuchte die Falcone-Treffen und hatte meinen Spaß am Motorrad und am Clubleben gefunden. Diesen Haufen wollte ich unbedingt zusammen halten, als Harald die Leitung aufgab. Langsam aber sicher stieg die Mitgliederzahl über die Jahre auf aktuell 260 Fahrerinnen und Fahrer, zum Herbsttreffen am 1. Oktoberwochenende gesellten sich ein Sommertreffen, dann auf Initiative der Westler das Frühlingstreffen in Mönchengladbach, und seit drei Jahren das Wintertreffen in Much und ein weiteres Sommertreffen in  der Pfalz. Nicht zu vergessen den Clubstand beim Oldtimer-Markt in Hamm Ende Februar. Ja, der Club ist gewachsen, aber immer noch genauso ohne Vereinsballast geblieben. Meine persönlichen Highlights waren neben den diversen Clubtreffen (von denen ich bisher kein einziges versäumt habe) die gemeinsame Fahrt mit 40 Clubmitgliedern auf eigener Achse zum 40jährigen Clubjubiläum nach Mandello, und die Ardèche-Tour in 2019. 

Heute, 2020 sage ich: Es hat sich gelohnt! Der Haufen lebt, wächst und gedeiht, hat Spaß, viele Freundschaften sind entstanden, und daran werden auch Corona oder andere Naturereignisse nichts ändern.“

Karl, im März 2020