Zwei alte Guzzis, die Swedish connection und zwei linke Hände oder: Wie sag‘ ich’s meinem Kinde?


Es begann alles 1988 beim Jan-Wellem-Pokal. Wir waren vom Volvo­Club dort auf dem Campingplatz. Plötzlich Donnergrollen tief im Tal. Es kommt immer näher und schließlich rollen eine alte Falcone und eine Nuovo bei uns aus. Das Wetter war so schön, dass ein Clubkollege mit der Nuovo angereist war und seinen Freund mitgebracht hatte.

Ab da war’s um mich geschehen. Wenn ich jemals Motorrad fahren sollte, dann irgendwann auch sicher Nuovo Falcone. lch nahm schon damals Kontakt mit dem Falcone Club auf. Elke und Klaus (†) ließen mir guten Rat zuteilwerden, nur die „Eintrittskarte“ fehlte mir noch.

Der Motorradführerschein kam erst drei Jahre später und mit ihm, mangels Falcone, eine BMW R65. Mit der habe ich dann meine ersten Erfahrungen gesammelt (fahren, umkippen – ausgerechnet auf einem Falcone-Treff am Schottenring -, wegschmeißen und auf dem Hintern hinterherrutschen). Zu der Zeit kannte ich auch Karl (†) schon – vom SAAB-Club. Schwedische Autos und italienische Motorräder vertragen sich wohl besonders gut.

Dann sollte es aber endlich eine Falcone werden. Bei einer Firma in einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein hatte ich sie in Auftrag gegeben. Rot und zuverlässig sollte sie sein. lch sagte, dass alles unternommen werden solle, was der Langlebigkeit diene.

September 1994 war es endlich soweit. Ich hatte meine Falcone – und hab‘ sofort bei Harald (†) meine Mitgliedschaft im Club beantragt.

Sie war wirklich schön rot – nur weder zuverlässig noch langlebig, wie sich bald herausstellte. Tommy hatte noch vor dem Kauf bei diesem Händler gewarnt … .

lch hab’s dann wohl so verdient, wie es kam. 

Speichenbrüche, kaputter Zylinderkopf (zum Glück in der Nähe von Würzburg und Jürgens Werkstatt), Zündungs- und Vergaserprobleme und Kleinigkeiten wie diverse gebrochene Hupenhalter. Es kam nicht echt gute Laune auf. Das Donnergrollen tröstete über Einiges, aber eben nicht über Alles hinweg.

Dann steht man da mit seinen zwei linken Händen. Die Werkstätten verdienen gut und meine rote Falcone wird zumindest dort bekannt wie’n bunter Hu…, eh, Falke.

In der Zeit kam die Entscheidung, ein auch für Nicht­Schrauber alltagstaugliches Mopped zu kaufen. Es wurde eine Guzzi V1000 G5 von 1981. Weil das Getriebe während der Probefahrt heulte, wurde der Preis ordentlich gedrückt und die Getriebereparatur in Auftrag gegeben. Was folgte waren recht viele vergnügliche Kilometer mit der V1000. Der Klang war Balsam für die Seele und die Kraftentfaltung und Handlichkeit einfach super.

Leider ergaben sich in der Zeit sehr wenige Kilometer auf dem Sorgenkind Falcone. Die V1000 schmiss zwar zweimal den abgebrochenen Teil des Schalthebels, aber nach dem zweiten Mal schweißen war eigentlich wieder alles in Ordnung. Dann verabschiedete sich im September 2001 in Schottland der 5. Gang (im überholten Getriebe).

Als ich die erneuten Reparaturkosten hörte, habe ich dem Fachhändler meines Vertrauens tief in die Augen geschaut und ihm gesagt er solle mir ein Angebot für das Mopped machen. Auch die weltbeste aller Frauen, Marion, war mittlerweile alles andere als hocherfreut, wenn wieder ‚mal der Hänger von der Garagendecke runter musste, um eines der beiden kaputten Motorräder nach Hause oder zum Händler zu bringen. Am nächsten Tag brauchte die Falcone Hupenhalter Nummer vier. Mein ohnehin geschwächtes Nervenkostüm hielt das nicht aus. Also Händler angerufen. Ja, er würde auch zwei in Zahlung nehmen.

Da habe ich mir dann eine neue California EV ausgesucht. Als ich die Falcone dort abgegeben habe, stand mir das Wasser Oberkante Unterlid. Der Händler sagte noch: „Versuch‘ sie zu vergessen.“ lch erzählte ihm ich hätte noch ’ne gute Flasche Whisky zu Hause und morgen früh sei schon alles wieder gut.

Während ich schreibe habe ich einen gehörigen Kater. Nix is‘ gut. lch kann sie nicht vergessen. lch will sie nicht vergessen. Und wenn ich gesund bleibe werd‘ ich sie auch nicht vergessen. Wir haben uns als Freunde getrennt.

Meiner Marion den Kaufpreis für die California zu erklären war ein Kinderspiel gegen das, was jetzt kommt. Wie mache ich meinem Freund Karl klar, dass ich keine Falcone mehr habe?

Keine Angst, Karl. Die Sirene, die Du mir geschenkt hast, habe ich noch abgebaut. Die hebe ich mir auf für die Zeit wo mir jemand ’ne gut gebrauchte rechte Hand verkauft, damit ich eine Falcone selber reparieren kann. Oder bis ich in Rente gehe. Dann werde ich versuchen, Motorradmechaniker zu lernen, so für’n Hausgebrauch. Die Falcone, die mir dann den Lebensabend versüßen soll, werde ich dann wohl nicht mehr nördlich von Hamburg kaufen.

Drückt mir die Daumen für meine Zukunft mit der California. Wenn die in den ersten Jahren einen gravierenden Mangel an den Tag legt, fahre ich nach Mandello. Dann kriegt einer von der Guzzi-Werksbelegschaft die Hucke voll. Am liebsten einer, der so aussieht als hätte er auch schon die Nuovo und die V1000 verbockt.

Euch wünsche ich allen viele sorglose Kilometer auf Euren Falcones. Eure schwarzen Fingernägel ehren und adeln Euch und ich beneide Euch darum. lch werd‘ mich noch bei Treffen sehen lassen. Wenn Ihr ’ne R 1100 RT nicht vom Platz schmeißt kann ’ne neue Calli sicher auch bleiben, oder?

Und das hat Karl seinerzeit dazu gesagt:

„Der hat ja ’n Rad ab, seine Falcone zu verkaufen, der Radford…

… nein sogar zwei!!“

Im Dezember 2021: Das ist jetzt 20 Jahre her. Zwischenzeitlich war ich einige Zeit fremdgehend mangels Guzzi nicht im Club. Ich verprügle auch keine Guzzi-Mitarbeiter, die können ja nichts dafür dass ich mechanisch talentfrei bin. Aber jetzt bin ich ja in Rente und werde mich langsam rantasten. 

Dieses Jahr kam dann die T3 California und ich bin wieder beigetreten. Demnächst nehme ich das Einzylinder-Fahren auch wieder auf und freue mich darauf Euch alle bei Treffen kennenzulernen.       Desmond Radford