Meine komplette Guzzi-Lebensgeschichte abzubilden, würde den Rahmen eines Artikels sprengen, deshalb führe ich diesen Familiennamen. Hier deshalb nur die Kurzfassung bis zur Stornelle, die der eigentliche Anlass für diesen Artikel ist und zu dem mich Michael Brückner animiert hat.
Italienische Erfahrungen habe ich ab 1979 schon ansatzweise gesammelt mit Morini 3 1/2 Sport, Ducati 350 GTL und 900 SS. Diese Moppeds haben richtig Spaß gemacht und alle Lügen gestraft, die mit den Kommentaren unterwegs waren, dass das italienische Material nicht zuverlässig ist. Einen Unterwegs-Ausfall hatte ich niemals, mit meinen bayerischen Zweirädern des öfteren. Soviel dazu. Die Zeit war aber reif, etwas tourentaugliches zu bewegen für die lange Strecke mit etwas Komfort und Gepäck. Mein Freund Thomas fuhr schon einige Zeit eine V7 California und eine 750 Sport. Diese beiden Guzzis hatte ich also abwechselnd immer im Auge wenn wir zusammen unterwegs waren und der Gedanke war nicht mehr so weit, es doch einmal mit einer Guzzi zu versuchen. Dann kam der Juni 1982. In der Lokalzeitung (immer dran denken, es gab mal eine Zeit vor dem Internet) wurde in der Nähe von Bad Kreuznach eine T3 Calli angeboten und so machte ich mich mit Thomas als Berater und Guzzi-Kenner auf den Weg dorthin um uns das Projekt anzuschauen. Ziemlich vergammelt, schon über 60.000 km auf der Uhr und der We-Di-Ring am Motor zum Getriebe ließ reichlich Öl raus. Das waren die Rahmenbedingungen, der Preis war trotz des mangelhaften Zustandes unschlagbar, die Guzzi wurde die meine und direkt nach Hause überführt. Im Laufe der Jahrzehnte hat sie mehrere Entwicklungsstufen durchlebt, sie wurde zwischendurch mal Gespann und mittlerweile ist sie zum Tourensportler ohne Trittbretter mutiert mit 1100 cm und diversen Umbauten, das Guzzi-Baukastensystem macht`s möglich.
Vete(d)rama-Wandertag
Jetzt machen wir einen Zeitsprung in das Jahr 2018. Veterama Mannheim, Feld 5. Ich wandere wie jedes Jahr durch die Reihen und habe wie jedes Jahr einen Stand im Blick, an dem Italiener ihre Zweiräder anbieten.
Eine kleine Guzzi fällt mir sofort auf, es ist sozusagen Liebe auf den ersten Blick, wenn es denn so etwas gibt. Scheinbar emotionslos schaue ich mir den „Kleinen Star“ intensiver an und denke mir, das könnte eine „downsize“ Ergänzung in meinem Fuhrpark sein. Der erste optische Eindruck ist nicht schlecht, nur 14500 km auf der Uhr, so auch der Gesamtzustand. Der Nachteil, Tank innen eine komplette Rostlaube, auweia, hoffentlich sind keine Löcher drin. Ein älterer Herr spricht mich auf italienisch an, passend zur Stornello, das ich leider nicht spreche. DIe Verhandlungen sind aber lösbar, der Preis wird auf einem Zettel hin und her geschubst bis es für mich passt und die italenischen Papiere sind auch dabei – gekauft. Zum Glück ist mein Freund Andreas mit seinem Zafira vor Ort, der auf meine Bitte hin das Mopped einladen und mit nach Hause nehmen kann.
Die Stornello musste im Zafira etwas auf die Seite gelegt werden und dabei ist etwas von dem jahrzehntealten Sprit mit einer unglaublich penetranten Geruchsentwicklung aus dem innen mega vergammelten Tank ausgelaufen. Ein paar Duftbäumchen für den Zafira habe ich dann freiwillig spendiert, damit auch die Frau vom Andreas wieder ohne Widerwillen in das Auto eingestiegen ist.
Teilesuche für die Kleine – ein neues Erlebnis
Zu Hause habe ich anhand der Fahrzeugunterlagen nachgeschaut wo die Stornello in Italien ihr bisheriges Zweiradleben verbracht hat. Salerno als Zulassungsstandort ist auf der Landkarte etwas südlich von Neapel zu finden, also ganz weit unten am Stiefel.
Der „Kleine Star“ stand dann bis zum folgenden Frühjahr erstmal in der Ecke ohne das er losfliegen konnte. Dann ging`s endlich los. Tank abmontiert und an die Firma meines Vertrauens geschickt um den Tank innen zu entrosten und neu zu versiegeln. Der Vergaser war gnadenlos vergammelt, alle Einzelteile wurden im Ultraschallbad penibel gereinigt. Neue Düsen und Dichtungen waren trotzdem fällig. Ölwechsel, Ventile kontrollieren und alles was zu einem Rundum-Check gehört wurde auch erledigt. Lenkerenden-Blinker wurden auch noch montiert, denn Blinker waren beim Kauf nicht vorhanden.
Der rechte Seitendeckel war ein behelfsmäßig gefriemelter Blechdeckel, den originalen fand ich gebraucht bei einem Guzzi-Händler. Für die Neuabnahme beim TÜV musste eine Zwei-Personen-SItzbank her, wie sie auf dem zeitgenössischen Prospekt abgebildet war. Sowas war in Deutschland nicht aufzutreiben. Also Ebay-Italien durchwühlt und siehe da – ein Teilehändler hatte genau diese Sitzbank im Angebot. Gekauft, bezahlt und ein paar Tage später traf das Paket ein. Die SItzbank war wie beschrieben nagelneu und noch nie montiert.
Der TÜV-Prüfer und auch die Zulassungsstelle haben mich dann doch positiv überrascht als ich ihnen jeweils die italienischen Papiere vorgelegt habe – kein Problem – lief alles wie am Schnürchen. Das es sowas auch noch gibt, erstaunlich.
160 flotte Kubikzentimeter
Der „Kleine Star“ wurde dann fleißig bewegt und was soll ich sagen, machte richtig Spaß. Wir wohnen in einer bergigen Landschaft, will sagen, es geht ständig rauf und runter. Für das Rauf hatte die Stornello mit ihren 160 ccm , den 13,4 PS und 5 Gängen genügend Pep und auf den flachen Strecken rollt sie so munter, dass man im normalen Verkehr locker mitschwimmen kann. Wenn meine Frau auf dem Sozius Platz nimmt (Leichtgewicht mit 60 kg), das haben wir auch mal ausprobiert, da wird es natürlich eng mit der Leistungsentfaltung, das lässt man also besser sein.
Bis die richtige Haupdüse gefunden wurde, dauerte etwas und die mit Zündkontakt gesteuerte Elektrik wollte mir auf Dauer kein Vertrauen einflößen. Da gab es nur eins, umrüsten auf eine VAPE-Anlage mit 12 Volt und ohne Zündkontakt. Seitdem springt die Stornello auf den ersten Kick an, egal ob kalter oder warmer Motor. Was jetzt noch zum optischen Glück fehlte, war der passende Tank zur Doppelsitzbank. Montiert war beim Kauf der Tank von dem Scrambler-Modell. Nach intensiven Recherchen war in der BRD nichts zu fiinden, also musste Ebay Italien wieder herhalten. Und siehe da, ein gebrauchter Tank im guten Zustand wurde gefunden. Das war jetzt die Gelegenheit, die Lackierung des Seitendeckels mit dem Tank vorzunehmen, DIe Aufkleber habe ich am Rechner konstruiert weil sie nicht zu bekommen waren, was aber nicht schwierig war. Dann auf weiße Folie geplottet und alles meinem Lackierer gegeben.
Die Stornello erfreut sich mittlerweile großer Beliebtheit in der Familie. Mein Sohn hat sie schon mehrfach in seinem Wohnmobil mit in den Urlaub genommen, weil klein und handlich. An dieser Stelle sei ein Ausblick in die Zukunft erlaubt. Wir werden alle nicht jünger und die schweren Zweizylinder rumwuchten, hat sich mit zunehmendem Alter irgenwann erledigt. Spätestens dann wird die Stornello noch mehr als jetzt schon bewegt – Guzzi per sempre.
Manfred E. Sprenger