Die große einmalige Mandello-Tour 
zum vierzigjährigen Clubjubiläum

Drei Tage Anreise, drei Tage in Mandello, drei Tage zurück. So war das geplant. Und so lief es auch ab.

Freitagabend, Bonn: Nach + nach trafen die ersten Mittäter ein. Unser Spezialparkplatz füllt sich zusehends. Voller Vorfreude bezogen wir die Zimmer, wobei wir feststellten, dass Jugendherbergen auch nicht mehr das sind was sie mal waren, sondern viel besser geworden, mit Bad im Zimmer, Bistro und Bier am Abend, freundlich und hilfsbereit, mit gutem Essen. Es machte Spaß, draußen zusammen zu sitzen und sich vorzustellen: Das ist diesmal nicht übermorgen schon wieder rum, wie sonst auf einem Treffen, sondern das geht jetzt erst richtig los…

Samstag: Schon in der Nacht plätscherte es penetrant vorm Fenster. Beim Frühstück hatten wir Panoramablick auf Bindfadenregen vor nasser Waldkulisse. Brr! Muss das jetzt sein… Aber es half nichts, wir hatten Termine (heute Abend in Heidelberg), also rin in die Montur. Als wir draußen standen, plötzlich eine Regenpause. Aha!  Gemeinsam zogen wir unter Führung von Migo los, der uns zum Rhein führte, Fähre Königswinter. Schon verloren wir Kalla mit dem Alfa und die V7, sie kamen aber rechtzeitig zur Fähre wieder nach. Auf der anderen Seite fanden wir Jürgen und Horst, die sich dazugesellten. 

Regen setzte ein, leicht aber beharrlich. Mit kurzen Pausen verfolgte er uns bis zur Fähre Oestrich. Da die Wolken tief hingen, fuhren wir am Rhein entlang, statt durch die Hügel.

An der Fähre war es zwar noch nass, aber nicht mehr von oben. Schon mal ein Fortschritt. Verloren  hatten wir Kalla mit dem Alfa-Jeep. Dafür tauchten im letzten Moment vor dem Ablegen Burkhard und Klaus auf, wie bestellt!

Hinter der Fähre zeigte sich Migos S 500 startunwillig, und es brauchte ein paar Minuten, sie zu überreden. Jetzt, da es wirklich trocken  wurde, war erstmal Pause angesagt, an einem Supermarktkomplex, der alles bot, was wir brauchten. Aahh, raus aus den Regenklamotten! Das Leben war schlagartig viel schöner. 

Nun teilte sich die Horde, wie von vornherein geplant, in Gruppen auf. Das hatte zur Folge, dass man leichter zusammenbleiben konnte. Nun ging es an Worms vorbei Richtung Heidelberg. 

Der Wettergott hatte uns nur eine kurze trockene Phase gegönnt, nun waren riesige Regenwolken unterwegs, die sich kilometerweit ausbreiteten. Wir konnten nicht ausweichen,  da mussten wir durch, und was hat das da geschüttet… Test für Mensch, Maschine und Regenzeug. Eine Gruppe bekam noch kurz vor Heidelberg eine Taufe, dann aber endlich: Trocken!

Bei der Ankunft in Heidelberg stießen nochmal einige dazu, großes Hallo. Nach dem Betten beziehen ging es gleich im Taxi ins alte Heidelberg zu Volker, der uns in sein antikes Gemäuer eingeladen hatte. Hier wurden wir üppig bewirtet, die Jungs vom Rennstall Mudau gesellten sich dazu. Der Abend bestand aus fröhlichen Gesichtern und ausgiebigen Unterhaltungen.

Einzig der Alfa hatte uns endgültig verlassen: Kurz vor Heidelberg war der Unterbrecherkontakt gebrochen, und es war ums Verr… kein Ersatz aufzutreiben. So gings für Kalla im ADAC-Ersatzwagen weiter.

Morgens, halb sieben in der Jugendherberge: Mehr oder weniger mühsam schälten wir uns aus den Betten, um sieben ist Frühstück, um 8 Fahrerbesprechung. Heute stand unsere Monsteretappe auf dem Programm, es ging 350 km bis in die Schweiz hinein, zunächst am Rhein entlang, dann ab in den Schwarzwald, durchs Albtal, auf den Bodensee zu. Gutes Wetter! Endlich konnten wir befreit losknattern. Mehrere Gruppen von 5 bis 8 Leuten hatten sich zusammengetan. Faszinierend, wie viele Einzylinder-Guzzis heute unterwegs waren, immer wieder kamen  einige vorbeigeknattert, oder machten Pause am Straßenrand oder in einem Café.  Nun waren wir endgültig auch vom Fahrgefühl her auf dem Weg nach Süden. Das Wetter: Sonnig!

So verging der Tag im Fluge, buchstäblich, und wir verabschiedeten uns aus Deutschland. Zunächst war es noch sanft hügelig in der Schweiz, was sich aber steigerte, und auf kleinen kurvigen Sträßchen in Bächli am Hotel Roessli endete. Malerisch! Ein landestypisches Gasthaus, davor saßen wir in der Sonne, beobachteten den spärlichen Verkehr, der sich hier aus 5 Richtungen traf, und hauptsächlich aus Motorrädern, leistungsstarken PKW  und Kombis bestand, die die Milch ihrer Kühe in Milchkannen zur örtlichen Sammelstelle brachten.

Um die Ecke hatte ein Nimbus-Treffen stattgefunden, und so schnurrten einige Nimbus vorbei (Nimbusse? Nimbi?).

Heidi, unsere Schweizer Gastgeberin, eine resolute herzensgute Frau, hatte ordentlich Spaß an uns, wir bezogen einfache aber gemütliche Zimmer, und ließen uns beim Abendessen verwöhnen. Urlaubsfeeling! Alle Angemeldeten waren nun zusammen, Uli, Jan und Robert stießen noch dazu, nun war der Trupp richtig groß.  An der abendlichen Bierrechnung konnten wir allerdings deutlich erkennen, dass wir in der Schweiz waren…

Morgens Briefing durch Tourchef Migo, der von seiner Kanzel verkündete, dass das Wetter gut werde. Die Gruppen fanden sich wie vorher, nun mit Zuwachs durch die zuletzt gekommenen. In meiner Gruppe war wieder Pfadfinder und Horex-Mann Georg vorneweg, dann Volker und Burkhard mit Airone und Superalce, hinter mir Jan und Uli  mit den Nuovos (Jan mit dem Hänger), zum Schluss Jürgen mit der Vecchio.

Nach kurzer Zeit war Uli weg. Warten. Jürgen kam und sagte, das Motorrad streikt, er ruft den Besenwagen. (Der sich, mit Fahrer Rudi und Beifahrer Josch im Laufe der Tour vielfach als Retter in der Not zeigte) Weiter gings, rein ins Tal, Kurven ohne Ende. Schwupps, schon standen die nächsten am Wegesrand zu schrauben, doch aus einer anderen Gruppe, daher ließen wir sie schnöde stehen. Durchwurschteln nach Chur, wo unser Guide entschied, über Lenzerheide  zu fahren. Na gut. Nach der Rast waren Jan + Jürgen weg, die vor mir auch, da bin ich auf  + ab gefahren, nochmal die Lenzerheide, keine Spur von irgendwem Wo waren sie nur geblieben? Ah, da kamen mir welche entgegen! Schrumm, weg waren sie. Hinterher! Im Tal dann endlich die Gruppenwiedervereinigung.

In der Schlucht der Via Mala muss man aufpassen, nicht auf die falsche Bahn zu geraten! Schwupps, und schon steht man auf der Autobahn.

Ab Splügen ging’s bergauf, bis zum Kurventanz vor der Passhöhe, immer wieder berauschend. Kalter Wind auf dem Pass1 Da standen Kischi und Barbara, sie hatten geschraubt, waren daher spät dran. In Montespluga hielten wir glücklicherweise Rast. So konnten wir Uli wieder aufnehmen, dessen Falcone nach kurzer Unpässlichkeit doch wieder lief. Und der Besenwagen wie auch Tine mit dem Cabrio kamen an.

Italien! Cappuccino! Bergwelt mit See! Bella Italia! Schön hier!

Zu Tal durch die Galerien und Kehren ging es flott, bald waren wir unten, umgingen geschickt die Zufahrt zum Tunnel. Nach einem letzten Halt zum Tanken durfte ich die Kolonne anführen, am See entlang, am Guzzi-Werk vorbei zum Al Verde, wo die übrigen schon ein, zwei Biere Vorsprung hatten.

Da waren wir nun am Ziel unserer Träume! Wir hatten es tatsächlich geschafft, es kam uns noch wie ein Traum vor, allerdings ein ganz besonders intensiver. Der sich über den Abend fortsetzte, als wir von Mario de Marcellis vom Al Verde und seiner Crew aufs Feinste bewirtet wurden. Aufs Allerfeiste! (Und das war erst der Vorgeschmack auf das, was uns in den nächsten Tagen auf kulinarischem Gebiet erwartete.) Nach dem opulenten Mahl begann der gemütliche Teil des Abends mit Semposs, einer Mandelleser Rockband mit Sängerin Tiziana „Titty“ als Frontfrau. Das rockte! Das hielt kaum einen auf dem Stuhl. Der Saal kochte, als Tom mit seiner Falcone in den Raum knatterte, wo sich Falcone und Titty ein Duett lieferten. Die Krönung des Abends kam dann in Form eines unterwegs spontan ersonnenen Falcone-Club-Songs, den Horst als guest star vortrug. Danke Carlo für diesen Club, das konnten wir in diesem Moment alle unterschreiben. Es war ein magischer Moment. 

Nun begann, nein nicht der Urlaub, sondern das Besuchsprogramm. Für den Guzzisten gibt es in Mandello reichlich zu sehen, und wenn man so wie wir weitreichende Connections in die örtliche Szene hat, kommt man an  Orte, die sonst verschlossen sind. Doch zunächst das Falconisti- Pflichtprogramm. Den Anfang machte der Besuch bei Carlo auf dem Marktplatz, und wir durften hochoffiziell hinter seinem Denkmal mit allen Motorrädern Aufstellung nehmen. Welch eine Reminiszenz an Carlos Lebenswerk! Fast schien es, als würde er leise lächeln und sich mitfreuen, als wir reihum mit ihm posierten. Danach ging`s ins Caffe Centrale zum Falcone-Bitter, jenem Spezialgesöff, das dort zum festen Programm der Getränkekarte gehört. Müsst ihr probieren, wenn ihr dort hinkommt!

Danach war Gelegenheit für freie Tagesgestaltung, was etliche dazu nutzten, um sich in den einschlägigen Läden mit Teilen einzudecken. Nachmittags waren wir eingeladen zu Retro, dem noch ziemlich neuen Teileladen in Abbadia. Auch hier schlug natürlich der Kaufrausch zu, da dort Teile zu haben sind, die sonst keiner hat. Dazu gab es ein Snackbuffet mit italienischen Köstlichkeiten, und besonders die zum Tank umfunktionierte Wassermelone erregte Aufmerksam- und Heiterkeit. Neben Teilen aller Art gibt es bei Retro auch tolle Motorräder zu sehen, bis hin zur Normale von 1921. 

Wer jetzt denkt, das war’s für heute, der irrt, denn zum Abendessen hatten wir Angelas Albergo La Selvaggia gechartert, das sie mit ihrem Vater Ferminio betreibt. Der Weg dorthin führte uns durch den Dschungel hinter dem Al Verde auf halsbrecherischen Pfaden bergauf, bergab, durch die Hügel zu Angela, die hoch über Mandello mit einem prächtigen Blick über den See residiert. Das Essen war genauso vorzüglich wie der Ausblick und unsere Stimmung. Mittlerweile hatten wir gelernt, uns nicht schon an den Antipasti sattzuessen, denn das Eigentliche kam ja erst danach.

 

Im Dunkeln ging es durch die Hügel wieder zurück zum Al Verde, im Licht unserer Taschenlampen war das eine Reihe Glühwürmchen durch den Wald.

So war auch dieser Tag randvoll mit Erlebnissen. Doch das war noch harmlos gegenüber dem folgenden. 

Morgens gingen einige auf Entdeckungstour ins Hinterland, und erkundeten den Passo di San Marco, dessen Straßen durch tiefe Schluchten und dann hoch hinauf führen. Mittags war Abfahrt nach Lecco zu einem ganz besonderen Ort, den nicht jeder Sterbliche einfach so besichtigen kann, sondern zu dem man eine Einladung braucht. Das war uns dank blendender Kontakte gelungen, und so fielen wir mit alle Mann und Frau auf den Betriebshof eines Firmengeländes bei Lecco ein, in dessen Halle uns etwas Einmaligen erwartete. Es war brüllheiß, wir schmorten in der Sonne und vor Erwartung. Dann war es endlich soweit, wir wurden eingelassen, und da standen sie: zwei Otto cilindri, eine ohne Verkleidung, und zwei der legendären Bicilindrica aus verschiedenen Baujahren. Unsere Fragen beantwortete kein Geringerer als Pino Todero, der Sohn des genauso legendären Umberto Todero, Konstrukteur bei Guzzi. Ja, und dann wurden die Achtzylinder  und die Bici betankt, angeschoben… und was dann kam, ist mit Worten nicht zu beschreiben, das muss man gehört haben… Einige Beschleunigungsproben auf dem Hof bewiesen das immense Potential der beiden Maschinen. Aber diese Geräuschkulisse… sagenhaft..

Mit einem seligen Grinsen auf dem Gesicht und in den Ohren verabschiedeten wir uns, um direkt zum nächsten Erlebnis zu fahren: Antonios Sammlung historischer Guzzi, die den Bestand des Werksmuseums in den Schatten stellt. Hier trat zum Grinsen ein glasiger Ausdruck in unsere Augen, denn da stand alles, was Guzzi in der Einzylinderära jemals gebaut hat, und oft in mehrfacher Zahl. Highlight der Sammlung: Die klassischen Rennmaschinen. Appetithappen gefällig? Tre cilindri, 4Vss, Quattro cilindri undund, es nahm kein Ende.

Danach brauchten wir alle eine Pause. Das war wohl das Schärfste, was ein durchschnittlicher Einzylinder-Guzzist erleben kann…

Abends stand am Lido bei Diego im Al Ghezz das nächste Menü auf dem Programm, oder soll  ich sagen: Die nächste kulinarische Reizüberflutung. 15 Gänge scheinen hier das Minimum zu sein.

Im Dunkeln ging`s rauf zum Al Verde. Ab in die Heia, Eindrücke verarbeiten.

Noch ein Tag war uns vergönnt. Vormittags ging es auf Ausfahrt in die Berggegend hinter Lecco, nach Morterone zum Brunch. Die ganze Kavalkade tanzte durch die Kehren bergrauf, tolle Aussicht, pure Entspannung, das Leben hatte so viel zu bieten, einfach traumhaft. Da kam der nachmittägliche Besuch im Werksmuseum (wie immer um 15 Uhr) gerade recht zur Abrundung. Zum Glück wird das Museum im alten Werkstrakt erhalten, so dass man einen Eindruck der  früheren Verhältnisse bei Guzzi, also der Bauzeit unserer Motorräder bekommt.

Beim Abendessen im Al Verde boten Mario, Pino und seine Crew nochmal alles auf, was sie zu bieten haben: Nicht enden wollende Speisenfolge, und wenn ich sage alles, dann sage ich nur: Bauchtanzvorführung inklusive!

Am nächsten Morgen: Essiggesichter bei der Abfahrtsbesprechung. Müssen wir schon fahren? Können wir nicht verlängern? So zirka bis zum Herbst? Aber es half alles nichts. Wir mussten los. Diesmal ging es über den Maloja-Pass nach St. Moritz. Wo uns ein kleiner Imbiss im schönsten Hotel des Ortes erwartete. Mit Blick auf den See und den Ort. Da hatte jemand seine Verbindungen spielen lassen. 

Bei bestem Wetter ging es über das Dach der Tour, den Albulapass, und weiter durch die Schweiz wieder nach Bächli, wo uns Heidi schon erwartete. 

Dies war der letzte gemeinsame Abend mit allen miteinander. Und mit Besuch aus Österreich. Es sei nicht verschwiegen, dass Fritz und Achim den Abend in einem Schweizer Krankenhaus verbringen mussten, da ein Schweizer Autofahrer sie zu Schweizer Käse verarbeiten wollte, aber in unseren Gedanken waren sie mit dabei. 

Am nächsten Tag verabschieden sich die ersten nach Hause. Und es ging über die Jugendherbergen Mannheim und Bonn weiter. Hier fand die Tour ihren offiziellen Schluss.

Fazit 1 Das war so toll. Es war unbeschreiblich.
Fazit 2 Das machen wir nochmal!

Wir danken Migo. Volker und Wolfgang vom Organisationskomitee, unserem unermüdlichen Besenwagenfahrer Rudi, seinem Beifahrer Josch, allen in Mandello und ganz besonders Carlo Guzzi.                  Karl