Kleine Geschichte einer Pilgerfahrt

Himmelfahrt sollte es nun also sein, uns wäre bei der Planung im Winter eigentlich auch jedes andere Datum recht gewesen – konnte ja keiner ahnen damals, dass das mal das MGML-Gleisdingsbums-weekend werden würde. Idyllische Landstrassen und -sträßchen wurden also ausgewählt, bloss keinen Meter Autobahn. Das Motto: Der Weg ist Ziel – was sonst.


Mittwochs ging’s dann also los, die ‚Nuovos‘ waren gesattelt gepackt und gestriegelt, Anblick für Götter, das. Von Coburg über Winterhausen am Main. Kurz beim ‚NF-Papst‘ Lamprecht vorbeibesucht, Zündungen sicherheitshalber schnell nochmal durchgeblitzt – manno, da war aber einiges zuviel an Frühzündung – Scheisskrücke von Fliehkraftregler! Von nun an mehr als beschauliche Weiterfahrt Richtung romantische Strasse und dann ab in’s Allgäu, das alles natürlich bei Bilderbuchreisewetter. Das erste Tagesetappenziel, Lochau bei Bregenz, wurde am frühen Abend relativ relaxed erreicht. Die Suche nach der bereits vorbestellten (jaaa, isjaguuut, Weicheier, usw. – okok, aber wir sind der Meinung, dass man beim Falkentreiben auch so schon genug dem Zufall überlässt …) Pension gestaltete sich ein wenig beschwerlich. Mehrere Anläufe waren nötig, um den richtigen Einstieg vom See aus in die Berge zu finden. Bei der vorletzten Abfahrt hätte ich schwören können, dass mein Motor seine gewohnte Geräuschkulisse deutlich in Richtung mechanisch lauter verschoben hatte, dann dieses kurze metallisch-harte Schnarren – das war aber nach ein paar Metern wieder weg. Oder lag das alles nur daran, dass ich müde, hungrig, verschwitzt und meine akustische Wahrnehmung seit Entfernen der beiden Ohrenstöpsel einfach nur hypersensibilisiert war?

Endlich hatten wir die richtige Auffahrt gefunden und da lag sie auch schon im Abendlicht – unsere Pension mit feinen Zimmerchen, Garage für die Falconebabies, Dusche, guter Küche und jeder Menge kaltem Bier – alles nur für uns, morgen würde es über feinste Strässchen weiter nach Mandello gehen – hach, is des Lebn schön, „Herz wat willste mehr„! Im Ausrollen wollte ich die Zündung ausschalten, bloss da war plötzlich nix mehr abzustellen, die war schon – na ja, einfach zu heiss geworden, morgen isse wieder schön kühl, oddrr? Hätte ich jetzt alles cool auf sich beruhen lassen, wäre mir eine erholsame und sorgenfreie Nachtruhe, zumindest bis zum nächsten Morgen, gewiss gewesen. Was aber tat ich altes, misstrauisches Trampeltier?


Kickstarter rausgeklappt und nochmal feste druff. Was danach blieb? Scheissgefühl, wenn Dir von jetzt auf gleich die Kompression verlorengeht, da war freier Durchzug vom Lufi bis zum Endtopf! Ei verflucht! Die wildesten Vermutungen durchfuhren das entnervte Gemüt, Ventilausheber klemmt – leider nein, Zündkerze wech – auch nix. Nach einigen Tests kristallisierte sich so langsam ein, aus welchen Gründen auch immer, hängendes Auslassventil als Wurzel allen Übels heraus.

Wir waren aber erst mal nur gründlich bedient, wollten Ruhe, Abstand zum unmittelbaren Geschehen, Gepäck abladen, Zimmer entern, duschen, essen, den Abend mit einigen Bierchen wieder schöntrinken und der vermaledeiten Geschichte gleich am nächsten Morgen in der Garage mal gründlich auf den Zahn fühlen. Widerwillig begannen wir zu ahnen, dass Italien plötzlich ganz schön weit weggerückt war.

Nächster Morgen, (Himmelfahrt) nach dem Frühstück wurde der fällige Pflichtbesuch in der hauseigenen Garage absolviert, Zylinderkopfdemontage (is des alles schön einfach bei so `nem alten Eintopf) brachte dann die Gewissheit: Auslassventilsitz hatte sich gelockert und das zurückgehende Ventil hatte ihn verkantet wieder zurückgeholt, somit kein bündiger Ventiltellerschluss mehr möglich = Kompri ade. Alles vorbei (Trotzdem, hätte auch schlimmer kommen können – Sparbüchse im
Kolben, oder so was). Die Aussicht, am Feiertag eine Fachwerkstatt in der Fremde ausfindig zu machen und sie darüber hinaus noch für irgendwelche Reparaturaktionen begeistern zu können, ging natürlich gegen Null. So blieben eigentlich nur zwei Alternativen. Entweder schmachvollerweise sich irgend so ein Avis- oder Hertz-Leihmobil vor Ort für ein Schweinegeld anzumieten und die Leiche in die Heimat zu überführen (Adac-Fans sind wir leider beide nicht …) oder aber, jaa oder aber versuchen, den NF-Oberguru aus Winterhausen irgendwie zu erreichen. Der hätte mit Sicherheit noch `nen brauchbaren Austauschzylinderkopf rumliegen und würde ihn vielleicht sogar …., na, erst mal versuchen, die Privatadresse ausfindig zu machen. Manchmal hat so ein Handy schon was Nützliches. Gesagt, getan, daheim die beste Exsozia von allen aktiviert und mit Nachforschungen aller Art betraut. Nach ca. einer Stunde klingelte es bei uns am Bodensee, am Apparat war der Jürgen, unsere letzte Rettung, mein Weib hatte also beste Detektivarbeit geleistet.

Er meinte nur trocken, wir hätten ein Schweineglück, ihn am Vatertag noch ohne festen Plan erwischt zu haben, normalerweise wäre er mit seinem Sohnemann unterwegs auf Tour, aber er hätte eh‘ Lust gehabt, die olle T3 noch e bissle auszuführen. „Was soll’s, komm’ich halt bei Euch vorbei, dauert aber seine Zeit, vor 16 Uhr komm‘ ich garantiert hier zu Hause nicht los, aber geht in Ordnung … .“

Möönsch, so ein Glück, wir konnten’s kaum fassen, der Mann hat wirklich Sinn für Dienst am Kunden!

Natürlich hatten wir jetzt erst mal jede Menge Zeit (11Uhr morgens), vor 21 Uhr brauchten wir mit unserem Rettungsdienst gar nicht erst zu rechnen, was also tun in der Zwischenzeit?

Wir entschlossen uns zu einer vatertäglichen Bergwanderung hinauf bis zur nächsten tauglichen Jausen. Das waren schlappe 10 km in der schönsten Mittagshitze, entsprechend waren Hunger und vor allem der Durst, kurzum, beim anschliessenden Abstieg waren wir entsprechend gut beinander- Mischung aus Albernheit, irgendwie glücklich, dass sich eine Lösung ergeben hatte, ganz schön angeschickert usw. Zu unserm Dorf zurückgekehrt, waren wir dann auch erst mal so richtig schön platt und pflanzten uns deshalb an einem schönen Aussichtspunkt in die Botanik, von dem aus man nicht nur den See, sondern auch die Serpentinen geniessen konnte, die hier hinauf führen, und am Feiertag natürlich ein Eldorado für alle möglichen Mopedfahrer aus nah und fern waren. Das war zwar irgendwie kein Alpenpass, da war auch Mandello gedanklich schon längst gestorben, aber wir hatten uns trotzdem schon schlechter gefühlt. Dann kam noch der Gedanke wie der Blitz: wenn wir morgen schon nicht in Italien landen können (die verbleibende Zeit hätte das einfach nicht mehr hergegeben), so könnten wir doch wenigstens heimwärts noch beim Wochenend-Italotreffen am Haundorfer Weiher vorbeischauen – das wäre doch immerhin noch ein würdiger Abschluss im Sinne des Erfinders, oddrr?

Irgendwann waren wir wieder halbwegs klar in der Birne und konnten nun wirklich nur noch warten.

So gegen 21 Uhr wurden wir allmählich leicht unruhig, alles in der Garage stand für die Notoperation bereit, Halogenbeleuchtung, vom Wirt ausgeliehen, meine NF aseptisch abgedeckt, nur der Zylinder schaute noch heraus, das Operationsbesteck lag wohlgeordnet bereit, nun fehlte nur noch der Herr Oberarzt. Kurz vor zehn war es dann soweit, ein wohlvertrautes V-Brummen dröhnte den Berg hinauf, die Rettung war nahe.
Der Jürgen hatte unterwegs selbst noch Probleme mit einer leicht rutschenden Kupplung gehabt, aber nun war er da und nachdem er erstmal Quartier gemacht und den Hunger gestillt hatte, ging’s dann an’s Eingemachte. In einer Stunde war der Austauschkopf montiert und Ventile und Zündung eingestellt.


Ich kann nur sagen, der Typ ist ein gottverdammter Idealist, es ging bereits gegen Mitternacht, er war aber nicht davon abzuhalten, auch an Tom’s NF sicherheitshalber ebenfalls das Ventilspiel nochmal zu überprüfen. Anschliessend (war ja erst ein Uhr morgens) wollte er uns noch unbedingt ein paar Fotos von der letzten Afrikatour mit dem total umgebauten NF-Saharagespann zeigen, wir hatten vorsorglich noch ein paar Absackerbierchen mitgenommen und so wurde es dann noch ein locker unterhaltsamer Ausklang, geschlafen haben wir in dieser Nacht nicht mehr allzu viel.       Flo aus Co