Wolfgang Kamradt – Ein echter „Fahrensmann“ erzählt!

Wolfgang Kamradt, besser bekannt als „Kurbelwellen-Kamradt“ kann man mit Fug und Recht als ein „Urgestein“ unseres Falcone-Clubs bezeichnen. Hier erzählt er ein paar Anekdoten aus seinem ereignisreichen Motorradfahrerleben. Viel Spaß beim Lesen.           Volker

Hier meine Story!

Bin ein Kind aus Noch-Kriegszeiten, geboren 1944 in Rostock. Muttern hat 1952 erkannt, dass der Osten nicht die Zukunft für ihre Kinder ist, also Antrag gestellt für Weihnachtsbesuch bei Ihrer Schwester im Westen, Köln-Wesseling. Heute würde man sagen: „never come back“ – Mutter und drei Kinder ohne Vater. Von der Tante wurden wir aufgenommen, ca. 70 qm vielleicht auch 80 qm, 7 Personen. Wir hatten gehofft, Hilfe vom Staat zu bekommen, nix da, keine Flüchtlinge, schwere Zeiten für Muttern! 

So ab 1961 nach der Fahrradzeit kam das erste Moped ins Haus, Miele mit 2-Gang Sachs, kurz danach eine Victoria mit 3-Gang und erstes frisieren, 1963 dann eine Kreidler S 4 mit 4 Gang und 4,2 PS! Ich glaub‘s fast selbst nicht, aber es stimmt:

von Januar 63 bis Dezember 63 kamen 48 000 Km auf den Tacho!

1964 kamen die Hercules K 50 mit 5-Gang Sachs-Motor und 5,3 PS, und da wurden in 1964 auch mal eben 40 000 Km gefahren. Ab 1965 wurde ich ruhiger, Muttern wurde krank, Geschwister aus dem Haus, also ran, Geld verdienen statt verbrennen. Von 1960 bis 1966 habe ich in verschiedenen Berufen gearbeitet, immer da, wo man mit der Hände Arbeit am meisten verdiente. 1966 wurde mir eine Honda CB 72 günstig angeboten. Die brachte mich noch weiter, Spa Francorchamps, Assen, Isle of Man, Südküste England, in 2 Jahren 66 000 Km, leider ist sie bei einem Schuppenbrand dahingeschmolzen.

1966 bot mir Hans Perscheid an, bei ihm zu arbeiten, Kreidler, Hercules, Zweirad Union, Maico-Vertretung, das war’s für mich. Das Zweiradgeschäft fing an zu boomen, Honda, Yamaha, Vespa und BMW kam dazu, Personal wurde eingestellt, Räumlichkeiten erweitert, meine Wenigkeit wurde Werkstattleiter und später im externen Service-Center Betriebsleiter.

An den Wochenenden trieb ich mich an den Rennstrecken rum, 1971 entstand die Verbindung zum Kölner Rennfahrer Walter Sommer, das brachte mich richtig weit rum, Monza, Imola, Barcelona, Clermont Ferrand, Mettet, Pariser Hallen, Imatra, Andersdorp, Brünn, Hockenheim, natürlich Nürburgring, wir wurden von Mitsui gesponsert, Mitsui war der Yamaha Importeur und  gründete das Mitsui Racing Team; Fahrer für WM Einsätze, Dieter Braun mit Sepp Schlögl als Mechaniker, Walter Sommer und meine Wenigkeit sowie Helmut Kassner mit seinem Vater für DM und EM Einsätze.

Jedes Team bekam eine 250 und 350 ccm Production Racer inkl. E.Kit.

Unser Traum vom Titel endete recht früh in der Saison 1973 auf dem Circuit Paul Ricard mit einem Trainingssturz und Ende der Laufbahn von W. Sommer. Somit auch meine Tätigkeit im GP-Sport.

Dieter Braun wurde 1973 Weltmeister, dank der genialen Ideen seines Mechanikers Sepp Schlögl, der hatte nämlich den Motor der 250er von 54×54 mm Hub-Bohrung auf 50,2 x56 mm umgebaut, das brachte mehr Drehzahl und Power.

Für mich begann dann eine neue Zeit, bin dann 2 Jahre Geländesport gefahren, 1974 waren es 17 Veranstaltungen, 16-mal im Ziel, ein Ausfall, und Gaumeisterschaft in der Ausweisklasse. 1975 gab es dann automatisch die „I“ Lizenz. Mit einer neuen KTM GS und viel Elan, dann die Ernüchterung, Klassensiege wie in der Ausweisklasse waren nicht drin, eine andere Liga, ich hätte über mein Limit fahren müssen, das kam für mich nicht in Frage.

Langweilig wurde es nicht, Karoline und ich sind viel gereist, 1976 kam die XT 500 ins Haus, die wurde bis 2000 gefahren, rund 140 000 Km, rund 1/3 Karoline hinne druff.

1979 haben Karoline und ich mit Verwandten und Freunde unser Haus gebaut, da war erst mal nicht viel mit fahren (nur wenn die Decken gegossen waren).

Ende 1989 änderte sich einiges, mein Chef, Hans Perscheid hatte sich entschlossen, aus gesundheitlichen Gründen den Betrieb zu schließen, ein Nachfolger war zu der Zeit nicht in Sicht, also nach 23 Jahren Perscheid ein Neuanfang. Stellvertretender Werkstattleiter bei BMW in Bonn, Allround-Mann Jungheinrich oder eigene Firma gründen standen zur Wahl; wir haben uns für Letzteres entschieden.

Zylinderköpfe, Kurbelwellen, Alu-Schweißen, Sonderanfertigungen, Schwerpunkt Oldtimer, Werkstatt im Haus auf ca. 110 qm. Keine kompl. Motorüberholungen!!

Zusätzlich war ich wieder im Rennsport in Sachen Technik aktiv, erst im Yamaha Cup mit Bernd Herrmann der 1987 den Cup gewann und im Folgejahr in der DM Klasse 250 ccm einstieg, dort habe ich ihn bis 1990 betreut. 

Unsere Fa. Rennsport Service Kamradt (one man factory) nahm mich danach voll in Anspruch.

Ja, wenn Oldtimer die Kundschaft sind, muss man auch selber so was fahren, also kam eine Magnat Debon ins Haus. Schlimme Baustelle, nie fertig geworden und verkauft. Danach eine Scott, die wollte ich für Racing beim VFV umbauen, dann siegte die Vernunft. Junge, du bist zu alt für Racing, du musst dich um den Betrieb kümmern, also Scott verkauft.

Am 1.Mai 1993 in Euskirchen Dom-Esch waren einige Guzzis am Start. Die gefielen mir, der zerklüftete Motor, die Schwungscheibe usw. Also, so was soll es sein. Auf der Veterama in Mannheim hatte ein Freund einen Stand. Also zu Hause aufgeräumt, alles was sich verkaufen lässt, hauptsächlich ausgemusterte Werkzeuge, Geräte wurde eingepackt und auf nach Mannheim. Dort Tapeziertisch aufgebaut und los gings. Erstaunlich was alles gekauft wurde, so um 10 Uhr hatte ich 500 DM einkassiert, also jetzt geh ich mal übers Gelände, siehe da 3 Airone wurden angeboten, eine restauriert, wollte ich nicht, eine verschraubt, weiter. Beim Bollgrün stand eine Sport, fast alles dran und original, allein der Vergaser Dellorto 25 SSF hat mich begeistert, so was hätte ich 1963 gern für die Kreidler gehabt, ging mangels Masse nicht, hab die Moneten hauptsächlich durch den Auspuff gejagt.

Bollgrün wollte 3500 Mark haben. Zu teuer! „Ja, i gebet sie dir auch für 3200“. Ich zurück zum Stand. So sagte ich, wenn ich bis Mittag 1000 Mark eingenommen hab, geh ich zurück und biete ihm 3000. Um 13 Uhr war mein Tisch fast leer, 1000 DM da, ab zum Rainer, hab im 3000 DM unter die Nase gehalten, er hat angebissen, ratz fatz hatte ich eine Airone Sport.

Noch Samstag zurück nach Hause, Sonntagabend lag die Airone komplett zerlegt auf unserer Terrasse.

Montag erst mal wieder ran, Zyl. Bohren, Kurbelwellen pressen, also Geld verdienen.

Im Frühjahr 1994 war Mandello angesagt, diverse Teile beschaffen, hab auch fast alles bekommen.

Leider oder auch nicht, ich hatte viele Aufträge, die Airone musste warten – bis Ende April 1995. Hurra sie war fertig. TÜV, Brief, alles ok. Also ab nach Dom-Esch, 1. Mai, erste Ausfahrt. Technik alles paletti, nur der Zünder wollte nicht immer. Was hat der Spezi festgestellt? Minus-Kohle unter der Kontaktfläche fehlte (alter Zünder mit H.-Verstellung) zur Sicherheit den Anker neu gewickelt, alles ok. Ein paar Wochen später konnte ich aufspringen zu einer Tour nach England. Also Airone im Van nach Calais, dort abgestellt und ab aufs Schiff. Wir waren zu viert, Klaus mit einer Rudge, seine Gattin auf einer SR 500, Rolf mit ner Imperia und icke uff Airone. Wendepunkt in England war New Milton. Dort Quartier und nächsten Tag ins Museum von Sammy Miller, Klaus kannte ihn persönlich. Also wurden wir per Handschlag begrüßt!! Hä, wie bitte, der Sammy Miller, der Trial König in den 60er und 70er Jahren schüttelt mir die Hand? Hatte ich doch auch mal versucht. Trial war gar nicht so schlecht, Sammy war unser Vorbild.

Die Airone machte mir Spaß, ist Langstrecken-tauglich, los ging es:

Hier nur eine Kurzfassung: 1996-97-98-2001 die 2000 Km durch Deutschland. Start immer in Mönchengladbach, einmal rund durchs Ländle.

2003 erste Auflage ADAC Moto Classik im Trentino, 2005 in Vianden-Luxemburg, 2007 bei Bitburg, 2009 in Stadt Luxemburg, 2011 bei Daun-Eifel, 2013 in Clervaux, Luxemburg, 2015 im Val di Ledro, Nähe Gardasee.

2008 die Milano Taranto. 

2009 wieder am Start, aber am Montag in Breganze abgebrochen wegen einem Krankheitsfall in der Familie.

Auf der Rückfahrt von Breganze nach Appenzell das teuerste Ticket in meiner Praxis eingefahren. Innerorts 71 Km/h, rums 500 SF, gleich 350 €.

2012 und 2013 die Fernfahrt Liege-Nancy-Liege. 

2013 auf Achse von Wesseling nach Mandello und retour, mit dabei 1 Harley Sportster, 1 Duc, 1 Airone (die kannte den Weg besser) voraus. 

2015 die Irish National Rallye mit Startort in Killarney

Dann diverse Tagestouren, nicht selten bis zu 500 km durch Eifel, Ardennen, Rhön, Sauerland, Rothaargebirge, Hunsrück, Saarland usw. 

Die vielen Tagesveranstaltungen zähle ich gar nicht erst auf.

Der Motor war bis zu der Neuzulassung 1995 komplett von mir überholt worden. Nach ca. 35 000 Km hatte ich einen Getriebe-Lagerschaden, danach wurde der Motor  neu aufgebaut, Kurbelwelle Selfmade, Kolben von Kawasaki, Ventile von VW und Opel, Haarnadelfedern raus, Nockenwelle vom Günther Knuppert leicht überarbeitet, der Motor lief prächtig.

Dann nach „nur“ 35 000 Km geht die Eigenbau Kurbelwelle kaputt, kurz vor unserer 40 Jahre Jubiläums-Fahrt in 2016.

Airone war rechtzeitig wieder fertig, der Pilot war auch „fertig“ und wollte nicht mehr. Einige können sich erinnern, ich habe dann hinter dem Besenwagen den Schlusswagen gemacht, voller Spannung, nur in Bächli am Morgen nicht, die Ladung an meinem Kia Soul EV war kurz nach dem Einstecken abgebrochen!! Wir, der Peter, mein treuer Begleiter und ich waren aber zum Dessert rechtzeitig noch in Mandello.

Dann waren da noch die tollen Touren in 2019 an der Ardèche, ein Erlebnis der besonderen Art, danke an Sigi und Volker. Anreise ein Erlebnis mit Erinnerungen an die 70-iger Jahre zum Circuit Paul Ricard, vor Ort einfach alles super, die Rückfahrt wehmütig, klar, und etwas holperig, hat mich fast den Wohnwagen gekostet.

Mittlerweile hat die Airone knapp 90 000 km runter, in 25 Jahren, sie läuft und dröhnt prächtig, sie hat mich nie im Stich gelassen, war nie auf einem Abschleppwagen! Parallel dazu hatte ich wie schon erwähnt von 1976-2000 eine XT 500/76 und ab 2001 eine NTV 650 für schnellere Touren hin und wieder mit Karoline als Sozia.

Wenn die Fahrverbote kommen sollten, habe ich ein Problem, oder die Behörden!

Jedenfalls lasse ich mir nicht vorschreiben, wann ich mit einem Motorrad fahren darf, welches in 1995 eine Zulassung bekommen hat, dafür werde ich notfalls kämpfen.        Wolfgang

Ach ja, da war noch was; wer von unseren Club-Mitgliedern war wohl zuerst in Mandello?

Wahrscheinlich der Gerhard Schulz und ich! Gerhard auf R 27 ich auf DKW 125 ccm Bj. 1969 mit dem Sachs 5-Gangmotor.

1969 sind wir von Brühl-Wesseling nach Garmisch-Partenkirchen zu den Six Days gestartet, dort den Start und ersten Fahrtag angesehen, um dann Dienstag morgen Richtung Milano zu fahren. Fernpass, Reschen-Pass, Stilfser Joch, St. Moritz, Maloja Pass, Mandello, Lecco, Milano, Ziel war das Ceriani-Werk, dort hatte ich Gabeln geordert, die dann nach Deutschland geschickt wurden. Gerhard war der Dolmetscher.